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Duftmarketing im Einzelhandel: Wie ein sinnliches Einkaufserlebnis entsteht

Was können Düfte im Einzelhandel leisten? Duftexperte Robert Müller-Grünow von Scentcommunication gibt im Interview mit Unified Commerce Magazin Antworten.

Herr Müller-Grünow, was genau verbirgt sich hinter Duftmarketing?

Ich verstehe Geruch als Kommunikationsmedium – gleichwertig mit audiovisuellen Medien. Solange wir atmen, riechen wir und so lange wir riechen, haben uns umgebende Gerüche direkten Einfluss auf unsere Emotionen und damit auf unser Verhalten und das Bewerten von Dingen, Räumen, Menschen … Als einziger Sinnesreiz ist das Riechen nicht rational filterbar und ist mit dem limbischen System verbunden, dem Bereich, in dem unsere Emotionen entstehen – zudem können sich Menschen besser an einen bestimmten Geruch erinnern als an jeden anderen Sinnesreiz.

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Zudem gibt es keine geruchsfreien Umgebungen oder Produkte. Alles riecht irgendwie nur in der Regel nicht bewusst gesteuert und fördert somit nicht das, was wir über andere Gestaltungsmöglichkeiten wie Materialien, Farben, Licht, Stil etc. versuchen zu vermitteln. Hier sind olfaktorische Reize ein wichtiges, unmittelbares und sehr nachhaltiges Medium zur Kommunikation.

Gerüche als Marketinginstrument: Wie genau kann der Einzelhandel Ladengeschäfte davon profitieren? Welches Potenzial hat Duftmarketing?

Passende Düfte ermöglichen eine eindeutige Differenzierung und Verstärkung der Kommunikation, sie verhelfen zu einem besseren Wohlbefinden und – das zeigen alle Studien, die unsere Kunden gemacht haben, – führen dazu, dass sich Kunden länger in den bedufteten Umgebungen aufhalten, sich intensiver mit Produkten beschäftigen und dadurch letztlich auch mehr kaufen.

Der richtige Duft sollten ein wesentlicher Bestandteil der Innenarchitektur und Warenpräsentation sein-, wichtig ist die professionelle Umsetzung, der Einsatz geeigneter Systeme sowie die richtige Wahl.

Gerade wenn es um besondere Erlebnisse von Marken, Markenwelten, Produkten geht, ist die professionelle Raumbeduftung ein ganz besonderes Gestaltungsmittel, das zum Beispiel im E-Commerce nicht existiert. Duft bietet einen besonderen Mehrwert, ist einzigartig, schafft Orientierung und wirkt nachhaltig.

Geruch kann – wie in der Natur erlebbar, – punktuell oder flächendeckend eingesetzt werden, nach Themen gesteuert oder z. B. an multimediale Inhalte gekoppelt werden. Die Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig und es kommt darauf an, welche Rolle sie spielen sollen und was sie auslösen sollen.

Düfte sind mit Emotionen und Erinnerungen verbunden — positiven wie negativen. Ist es deshalb nicht sehr schwierig, einen Duft zu erschaffen, der vom Großteil der Kunden als positiv wahrgenommen wird?

Das, was wir mit Gerüchen assoziieren oder welche Erinnerungen wir wecken, ist durch persönliche Erfahrungen und kulturelle Kontexte bestimmt. Daher sollten wir bei der Wahl die Zielgruppen möglichst genau kennen. Ausgehend von den Bildern, die in den Köpfen entstehen sollen, können wir dann entsprechende Duftnoten aussuchen.

Es existieren einige, die universell bestimmte Wirkungen erzielen, – so beispielsweise Vanille: Menschen auf der ganzen Welt fühlen sich wohl, sicher, geborgen. Warum? Weil wir schon in der Stillzeit auf einen Vanilleduft geeicht wurden. Die Wirkung ist so nachhaltig, dass er von der Kleinstkinderzeit bis ins späte Erwachsenenalter funktioniert.

Darüber hinaus gibt es weitere Wirkungsebenen von olfaktorischen Reizen. Bestimmte Gerüche wirken attraktivitätssteigernd und aktivieren Pheromonrezeptoren. Andere aktivieren Neurotransmitter und machen uns aufmerksamer, andere beruhigen, lassen uns Wärme oder Kälte spüren usw.

Wichtig bei der Wahrnehmung ist zudem, in welchem visuellen Kontext man den bestimmten Duft wahrnimmt. Das Visuelle hat noch einen großen Einfluss auf das, was wir bewusst riechen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir die Zielgruppe, die gewünschten Wirkungen/Gefühle/Bilder und das Einsatzszenario kennen sollten, um den perfekten Duft zu wählen oder zur kreieren.

Gibt es denn allgemeingültige Regeln? So etwas wie typische Duft-Dos und Don’ts?

Duftmarketing ist ein sensibles Medium. Die Art und Weise, also die technische Umsetzung, ist maßgeblich für einen erfolgreichen Einsatz. Raumbeduftung ist ein ganz normales Kommunikationsmedium – wie Bild und Ton. Also sollte es möglichst auch so steuerbar sein, dass es passend ist zum audiovisuellen Kontext oder zu dem, was kommuniziert werden soll.

Der schönste Raumduft kann in zu hoher Konzentration unangenehm wirken. Ansonsten gilt für Duftmarketing als Kommunikationsmittel oder Designelement im Grunde das gleiche wie für die anderen Instrumente, die zur Verfügung stehen.

Und wie unterscheiden sich dabei die Zielgruppen? Wie riechen Männer? Wie Frauen? Und wie ist es bei Jung und Alt?

Die Präferenzen oder vielmehr die Assoziationen können sehr unterschiedlich sein, da sie geprägt sind von persönlichen Erfahrungen und kulturellen Kontexten. Dies sollte man berücksichtigen, wenn spezielle Wirkungen erzielt werden sollen.

Grundsätzlich können Frauen besser riechen als Männer. Sie haben die feinere Nase. Warum genau dies so ist, hat wahrscheinlich seine Ursprünge noch in der Steinzeit, in der Frauen das von den Männern in die Höhle gebrachte Essen begutachten mussten, um zu sehen, ob sie es den Kindern geben konnten.

Im Alter nimmt der Geruchssinn stetig ab. Man kann ihn jedoch trainieren. Und dies ist nicht nur empfehlenswert, weil es Spaß macht, sondern weil es alle Gehirnregionen aktiviert und trainiert!

Wie ermitteln Sie den perfekten Duft für eine Marke bzw. ein Unternehmen? Wie gehen Sie dabei vor?

Zunächst müssen wir wissen, was die Marke mit dem Duftkonzept kommunizieren möchte, z. B. die Markenpersönlichkeit, Markenwerte etc.; dann sehen wir, welche Zielgruppen wir erreichen müssen und in welchem Kontext das Duftmarketing eingesetzt werden soll, weil auch dies einen Einfluss auf die Wahrnehmung hat.

Wir übersetzen also bestimmte Attribute und Eigenschaften in den richtigen Duft und setzen diesen dann in den Kontext bestimmter visueller Kontexte vor dem Hintergrund zielgruppenspezifischer Präferenzen und Eigenheiten.

Sie haben schon Telekoms Magenta zum Duften gebracht und über die Nasen der DB Kunden für Entspannung in den Zügen gesorgt. In welchen Branchen/bei welchen Unternehmen sehen Sie das größte Potenzial für Duftmarketing?

Naheliegend sind immer noch die Hotellerie, der Modehandel und vielleicht die Automobilbranche. Allerdings macht Duftmarketing für jede Branche Sinn, die kommuniziert. Auch für den stationären Einzelhandel ist es interessant, Einkaufserlebnisse zu schaffen, die im Online-Handel nicht möglich sind. Und da multisensorisches Marketing an dieser Stelle eine ganz besonders bedeutende Rolle spielen kann, ist es sinnvoll, hier eine Differenzierung über Gerüche zu schaffen.

Wie funktioniert die Umsetzung am POS? Kommt dabei bestimmte Technik zum Einsatz?

Das kann sehr vielfältig sein. Soll es nur punktuell duften oder großflächig? Soll der Geruch nur zu einem bestimmten Moment erlebbar sein oder kontinuierlich?

Es gibt eine Reihe professioneller Duftsysteme, die für alle Szenarien die richtige Lösung ermöglichen. Professionelle Beratung ist empfehlenswert.

Wenn z. B. ein Geschäft eines Handelsunternehmens beduftet werden soll, wird geschaut, ob etwa eine Lüftungsanlage verfügbar ist, die die beduftete Luft dorthin bringen kann, wo sie hin soll. Das könnte zum Beispiel ein sehr effizienter und guter Weg sein, eine größere Fläche zu beduften.

Und neben dem Laden — welche Optionen haben Unternehmen noch, um das Einkaufserlebnis durch Düfte zu beeinflussen?

Alles riecht– Materialen, Umgebungen, Produkte … Je nachdem, wo Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und Kunden existieren, lassen sich dort auch passende Düfte einsetzen. Ob im Produkt selber, im Packaging oder in Printmedien. Auch ist es denkbar, über weitere Produkte den Unternehmensduft weiterzubringen: Über Diffuser in private Haushalte z. B. oder warum soll ein Modeunternehmen nicht kleine Duftsachets machen, die sich Kunden in den Kleiderschrank legen können? Eine schönere Kundenbindung gibt es nicht, als wenn man den eigenen Duft einer Marke auch ins zu Hause der Kunden bringen kann.

Visuell gibt es z. B. mit Augmented Reality einen Trend, der zunehmend in den Handel einzieht und langsam erwachsen wird. Gibt es auch in Sachen Gerüche solche Innovationen, mehr oder weniger ausgereift? Was können Sie sich für die Zukunft gut vorstellen?

Das ist ein spannendes Feld für den Einsatz von Duftmarketing. Wir arbeiten bereits intensiv an VR/AR-Projekten und begleiten parallel auch die Forschung, die untersucht, welchen Einfluss Duft auf die Wahrnehmung virtueller Realitäten hat. Dazu bedarf es flexibler, kleiner Duftsysteme, die sekundengenau steuerbar Düfte authentisch erlebbar machen. Das ist bereits heute möglich, aber künftig werden miniaturisierte Lösungen noch viele weitere Einsatzszenarien entstehen lassen!

Spannende neue Felder eröffnet die Forschung, die untersucht, welche Wirkung bestimmte Duftmoleküle auf den Menschen haben, die über das reine assoziative und erinnerungsbasierte Riechen hinausgeht.

Duftmarketing wird künftig bei Unternehmenskommunikation, im Marketing und in der Architektur generell eine wichtigere Rolle spielen, die Bedeutung wird insbesondere in Deutschland bisher noch sehr unterschätzt.

Über Robert Müller-Grünow

Headshot von Robert Müller-Grünow (Foto: © Boettcher Photography, Edel Books)
Robert Müller-Grünow (Foto: © Boettcher Photography, Edel Books)

Für alle, die mehr über Düfte erfahren wollen, unser Interviewpartner hat auch ein Buch geschrieben: „Die geheime Macht der Düfte“, erschienen bei Edel Books.

Er selbst liebt vor allem Düfte aus der Natur – Wiese, Wald und Meer – und ist immer wieder fasziniert davon, wie Düfte unsere Erinnerungen wachrufen und unseren Alltag in vielen Bereichen bereichern.

Robert Müller-Grünow "Die geheime Machte der Düfte" (Foto: © Boettcher Photography, Edel Books)
Robert Müller-Grünow „Die geheime Machte der Düfte“ (Foto: © Boettcher Photography, Edel Books)

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