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Retouren­management: Bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist

Retourenmanagement gehört nicht zu den beliebtesten Aufgaben im Unternehmen. Seien wir ehrlich, in den meisten Fällen bedeutet Retourenmanagement das Suchen nach dem Fehler. Was ist passiert? Wo ist der Fehler oder besser gesagt, wer hat ihn gemacht? Beim Kundenservice fallen dann so Sätze wie: „Das liegt nicht in unserer Hand,“ oder „Da hat der Versanddienstleister etwas falsch gemacht“.

Hilft das dem Käufer?

Nein! Wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist, interessiert es alle Beteiligten wenig, wie es da reingekommen ist. Als aller Erstes muss was passieren?

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Richtig: Die Rettung!

Im Retourenmanagement muss ein Umdenken geschehen. Weg von der Fehlersuche und hin zu einer Verständigung, dass jede Retoure auch eine echte Chance ist. Es besser zu machen und die Kundenbeziehung zu retten oder sogar das Vertrauen noch zu steigern.

Der Wahnsinn mit den Rücksendungen

Retouren gibt es schon so lange, wie es den Versandhandel gibt und ist keine Erfindung des E-Commerce. Und obwohl es kein neues Phänomen ist, hat sich die Anzahl der zurückgeschickten Artikel in den letzten Jahren deutlich erhöht. Vom Retourenwahnsinn ist bereits die Rede. Nicht zu Unrecht, wenn man auf die Zahlen blickt. Jede vierte Sendung geht komplett oder zumindest in Teilen wieder zurück. Die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg unter der Leitung von Dr. Björn Asdecker ist da noch etwas genauer und hat ermittelt, dass 2021 nur in Deutschland etwa 530 Millionen Pakete mit 1,3 Milliarden Artikeln als Retoure an die Händler zurückgingen. Das ist eine Menge. Angesichts solcher Zahlen gilt es zu überlegen, wie man mit Rücksendungen umgeht und für den Käufer zufriedenstellend reagiert.

Ein Blick auf die Spitzenreiter bei den Retouren überrascht nicht. Das EHI Retail hat in ihrer Studie ermittelt, dass im Bereich Fashion und Accessoires das Aufkommen an Rücksendung sogar bis zu 50 % liegt. Das wäre jede zweite Sendung.

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Automatisierung in der Logistik als Grundvoraussetzung

Eines sei vorab gesagt. Egal wie toll und umfangreich das Sortiment ist, sind Artikel nicht verfügbar, kommen nicht rechtzeitig an oder in der bestellten Menge und Beschaffenheit fällt die Chance, dass der Interessent bei diesem Händler noch einmal bestellt, rapide gegen null. Vor allem im E-Commerce, wo Unternehmen deutlich leichter gegen die Konkurrenz ausgetauscht werden können, ist das ein Worst Case. Das gilt allerdings nicht nur für den Bestellprozess. Wie bereits erwähnt, der Konsument hat dank Online-Handel eine überwältigende Auswahl an Unternehmen, von denen er Ware kaufen kann. Ein effizientes Retourenmanagement ist ein Faktor, den die Verbraucher bei der Wahl des Händlers berücksichtigen. Wo kann die Ware kostenlos und ohne viel Aufwand wieder zurückgesendet werden, wenn sie nicht gefällt? Wie steht es um den Ruf des Händlers, wenn es mit dem Artikel Probleme gibt? Wie schnell werden solche Retouren bearbeitet? Die Bewertungsmöglichkeiten in Kommentaren und Antworten auf den großen Plattformen machen deutlich, welche enorme Rolle das Retourenmanagement in der Kundenzufriedenheit eingenommen hat.


 

Wenn man sich über die logistischen Prozesse keine Sorgen machen muss, kann man sich auf den Kunden konzentrieren. 


Ohne eine funktionierende Logistik ist ein erfolgreiches Retourenmanagement, das sich auf den Kunden und nicht den Retouren Prozess konzentriert, nicht möglich. Nicht zuletzt ist auch die Höhe der Kosten, die mit den Retouren einhergehen, eine Frage des logistischen Netzwerks eines Unternehmens. Betrachtet man den Logistikprozess hinter einer Retoure, so ist dieser mit einigem Aufwand verbunden, der sich rechnen sollte. Ein verlorener Kunde hingegen trägt die Rechnung nicht. Und obwohl Unternehmen sich der Situation bewusst sind und das immer weiter ansteigende Retouren-Aufkommen nicht manuell zu bewältigen ist, ist nach wie vor das Gros der Prozesse in der E-Commerce-Handelslogistik nicht automatisiert. Dabei ist das die Grundvoraussetzung, um Retourenmanagement als echte Chance zu erkennen. Denn nur wenn man weiß, dass das System funktioniert, kann man sich auf den Kunden konzentrieren.

Vom Problem zur Lösung im Retourenmanagement

Egal ob stationärer Handel oder Online-Shop, Retouren sind ein lästiges Thema. Es liegt in der Natur des Verkaufes, dass wir nicht begeistert sind, wenn Waren retoure kommen. Im Sinne der Customer Centricity ist es jedoch unabdingbar, dass wir hier das notwendige Übel der Retouren als zusätzlichen Touchpoint verstehen lernen und nutzen. An jeder Stelle, die der Konsument mit dem Unternehmen in Berührung kommt, besteht die Möglichkeit, ihn von sich zu überzeugen. Das gilt auch für das Retourenmanagement.

Das fängt an bei dem Angebot der Retoure. Kostet diese was oder ist sie kostenfrei? Wie kompliziert ist der Vorgang? Gibt es automatische Prozesse? Die Käufer wissen den Komfort zu schätzen, erwarten ihn sogar oft. Für ihn stellt die Möglichkeit einer Retoure einen echten Vorteil dar. Dieser Bereich des Retourenmanagements sollte, wie oben beschrieben zum größten Teil automatisiert und nach Möglichkeit logistisch digitalisiert ablaufen. Das erhöht die Kundenzufriedenheit und verringert die Arbeit des Kundenservices. Im Nachgang sollte der Besteller dennoch nicht unbetreut bleiben. Wenn er einen Grund angibt, warum er das Produkt zurücksendet, können ihm per E-Mail-Alternativen gezeigt werden. Ohne Angabe eines Grundes können ähnliche Produkte mit Blick auf seine Kaufhistorie aufgezeigt werden. Lassen Sie den Kunden wissen, dass Sie ihn nicht vergessen haben nach der Retoure. Zeigen Sie ihm, dass Sie ihm helfen möchten, doch den passenden Artikel zu finden. Der Aufwand lohnt sich. Selbst wenn er nicht sofort kauft, wird er das Unternehmen positiv in Erinnerung haben und die Bemühungen zu schätzen wissen.


Ein gutes Retourenmanagement ist mehr als nur ein Wettbewerbsvorteil. Es ist die Möglichkeit, den Kunden von sich zu überzeugen.


Kommen wir zum unangenehmen Teil des Retourenmanagements. Der Kunde sendet nicht nur zurück, weil etwas nicht passt oder nicht gefällt, sondern weil es ein Problem gab. In diesem Fall wird er sich mit hoher Sicherheit mit dem Kundenservice in Verbindung setzen. Jetzt ist es an dem Unternehmen, dem Kunden eine Lösung seines Problems anzubieten und auf das Problem einzugehen. Hier geht es nicht nur darum, dass etwas nicht passt oder gefällt, sondern beispielweise defekt ist oder fehlt. Der Mitarbeiter muss rausfinden, was genau den Kunden stört. Ist es das gesamte Produkt oder nur ein Teil davon? Im ersten Fall muss eine schnelle und unkomplizierte Rücksendung erfolgen und dem Kunden ein Ersatz oder eine Erstattung des Kaufbetrages angeboten werden. Im zweiten Fall kann ein Austausch des defekten Teils und eine Betreuung (das defekte Teil wird durch einen Mitarbeiter ersetzt, beispielsweise bei Maschinen) den Kunden bereits zufriedenstellen. Alternativ kann die defekte Ware auch zur Reparatur abgeholt werden. Für die Zeit wird eine Alternative zur Leihgabe angeboten. Das ist natürlich stark abhängig vom Produkt, welche Variante sich am ehesten lohnt. Hierbei jedoch immer den Kunden im Auge haben. Auch wenn sich eine Variante auf den ersten Blick finanziell nicht auszahlt, kann sie mit Sicht auf zufriedene Kunden und einer dauerhaften Kundenbeziehung doch rechnen.

Präventives Retourenmanagement, damit das Kind erst gar nicht zum Brunnen kommt

Im Gegensatz zum reaktiven Retourenmanagement besteht auch die Möglichkeit, viel früher anzusetzen und die Zahl der Retouren deutlich zu senken. Die Option, Rücksendungen kostenpflichtig zu machen, ist nicht praktikabel. Zu groß ist der Wettbewerb und die Chance, dass die Konkurrenz die Pakete kostenlos zurückgehen lässt. Schauen wir uns daher an, welche Möglichkeit es vorher gibt.

1. Qualität

Hier sollte ein Unternehmen immer als Erstes ansetzen, denn wenn mit der Qualität eines Produktes alles stimmt, ist die Chance einer Rücksendung deutlich niedriger. Bei ca. ein Drittel aller Retouren wird die Qualität als Grund angegeben. Kunden erwarten nachhaltige und langlebige Produkte. Überzeugt die Qualität mit Blick auf diese Kriterien nicht, erfolgt schnell das Zurücksenden der Ware, vor allem im E-Commerce.

2. Detaillierte Produktbeschreibungen

Fehlkäufe passieren. Sogar im stationären Handel. Dennoch können Händler vor allem im E-Commerce die Rücksenderate deutlich senken. Dabei hilft, wenn sie die angebotenen Artikel so detailliert wie möglich beschreiben. Hochwertige Produktbilder und Detailansichten runden die Produktbeschreibung ab und lassen keine Fragen offen. 360° Ansichten sind da ein echter Mehrwert für viele Kunden.

3. Größen

Einer der häufigsten Retouren-Gründe ist die falsche Größe. Nicht verwunderlich, dass vor allem die Fashionbranche von Retouren am meisten betroffen ist. Online-Shopping hat einfach den großen Nachteil, dass der Käufer das Produkt erst zu Hause anprobieren kann. E-Commerce Unternehmen sollten daher jede Chance nutzen, das Thema Größen und Formen so detailliert wie möglich zu kommunizieren. Hierfür können neben den klassischen Größentabellen obendrein Größenrechner, Empfehlungen, Angaben der Maße des Models auf dem Bild oder auch ein Onlineberatungsservice bei der Ermittlung der passenden Größe unterstützen.

4. Sicherer Transport

Ein ebenfalls häufiger Grund für zurückgesendete Pakete ist eine Beschädigung der Ware. Um dies zu vermeiden, ist bereits eine Auswahl der richtigen Verpackung mit entsprechendem Füllmaterial unumgänglich. Im zweiten Schritt steht die Wahl eines geeigneten Versanddienstleisters. Dieser muss flexibel agieren können, eine Sendungsnachverfolgung für den Kunden bieten und Sicherheit der Ware.

5. Lieferzeit

Diese muss nicht nur klar kommuniziert werden, sondern auch so kurz wie möglich sein. Schwammige Angaben sorgen dafür, dass Kunden ein Produkt zwar bestellen, aber in der Zwischenzeit ungeduldig bei der Konkurrenz kaufen, weil diese schneller liefert. Dann gehen Ihre Artikel zurück. Die Wahl des Versanddienstleisters spielt hier genauso eine wichtige Rolle wie die komplette Lieferkette und Logistik. Ohne dass diese Punkte reibungslos miteinander verknüpft sind, wird ein Händler schnell von der Konkurrenz abgehängt. Nicht außer Acht zu lassen sind Peak Seasons, wie das Weihnachtsgeschäft. Hier müssen mit dem Dienstleister klare Vorgaben besprochen werden. 

6. Beschränkung

Das klingt erst einmal negativ, aber der Kunde kann es im Zuge der Nachhaltigkeit, wenn es gut kommuniziert wird, verstehen. Bieten Sie Anprobepakete an. Heute bestellen, in Ruhe anprobieren und erst in 7 Tagen bezahlen. Was nicht gefällt, geht zurück. Diese Körbe werden dann auf beispielsweise 6 Produkte beschränkt. So wird vermieden, dass Kunden unkontrolliert viele, sehr ähnliche Waren zum Ausprobieren bestellen, von den die meisten zurückgehen würden. Und trotzdem ist es ein Zusatznutzen für den Abnehmer. Er kann in Ruhe testen, ohne dass der Betrag sofort vom Konto gebucht wird und er auf eine Rückbuchung warten muss, nachdem die Ware zurückgeschickt wurde. Er empfindet ein solches Angebot als Mehrwert und wird die Beschränkung nicht als negativ aufnehmen.

Unser Fazit

Retourenmanagement ist viel mehr als das bloße Zurücksenden von Waren. Es ist ein wohldurchdachter Prozess, bei dem der Verbraucher im Mittelpunkt steht. Jeder Touchpoint, also jede Kontaktmöglichkeit mit dem Unternehmen, sollte für den Kunden positiv sein. Selbst wenn es sich um so etwas Lästiges wie eine Retoure handelt. Als Unternehmer haben Sie die Möglichkeit, hier sowohl präventiv als reaktiv die Chance zu ergreifen, das Retourenmanagement als Verkaufsargument zu nutzen.

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