EinzelhandelHandel

Verkaufs­strategien und Technologie für eine neues Handels­zeitalter

Johannes Schick treibt seit vielen Jahren die Entwicklung von Handelstechnologie voran. Als Jurymitglied stellte sich Schick kürzlich den Vorschlägen der 150 Hersteller, Händler und Dienstleister im Rahmen eines Ideenwettbewerbs, dem „Retail Hack“, organisiert vom IFH Köln in Zusammenarbeit mit der Pro-Bono-Initiative „Händler helfen Händlern“. Dabei ging es um nachhaltige Businesskonzepte für die Zeit nach dem Corona-Lockdown. Das Themenspektrum reichte von E-Commerce und Digitalkompetenz über kreative Standortbelebung bis hin zu lokaler Angebotsbündelung. Bei einer Reihe der 29 „Hacks“ kann die Handelstechnologie unterstützen. Johannes Schick erklärt, wie.

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Herr Schick, unter der Überschrift „Digitalzeitalter“ ist eine Idee des „Hackathons“, dass lokale Händler als Markplatz mit Showroom-Charakter auftreten, parallel zum Online-Auftritt, was steckt dahinter?

Der lokale Händler hatte während der harten Lockdown-Phase kaum Chancen, seine Kunden anzusprechen geschweige denn, mit ihnen im besten Wortsinn “ins Geschäft” zu kommen. Da war und ist der Online-Handel klar im Vorteil.  Nun geht es für die lokalen Händler darum, den Kunden über den Webshop hinaus zu erreichen, mit dem Ziel, die stationäre Karte auszuspielen. Denn der reine Vertrieb über das Netz via eigenem Shop oder Marktplatz reicht längst nicht mehr aus. Technisch steckt dahinter, dass die Online und Offline-Welten verschmelzen werden. Die Krise beschleunigt die konsequente Umsetzung der Omnichannel-Prozesse und zwingt uns aus unserer stationären Komfortzone heraus. Ein Business wie Ende des letzten Jahrhunderts ist nur noch in Nischen möglich und damit tot. Jetzt braucht es intelligente Omnichannel-Prozesse, die den eigenen USP herausstellen, die anders sind als der klassische Marktplatzvertrieb – mit der stationären Basis als Ass im Ärmel.

Im Retail Hack war es Thema – und man liest davon in der Presse: Kunden sollen nach Möglichkeit bei ihrem stationären Händler Termine buchen können. Mit welchem System wäre das denkbar?

Im Prinzip kann so ein Termin-System in jedes moderne Kassensystem integriert werden. Besonders effektiv wird es, wenn an der Kasse schon die bereits gespeicherten Kundeninformationen zur Verfügung stehen und mit der Buchung verknüpft werden können. Der Kunde geht auf die Händlerhomepage oder, noch besser, er öffnet eine Kunden-App des Händlers. Hier bucht er einen Termin, der gleichzeitig die Kommunikation zwischen Händler und Kunden startet. Der Vorteil einer „Zwischenpufferung” von Kundendaten in einem vorgelagerten System ist, dass sich der Kunde nicht jedes Mal neu registrieren muss und seine Daten unter seiner Identität mit Passwort einmalig anlegen kann. Es kann aber auch ein absolutes Datenminimum seitens des Kunden erfasst werden. Optional könnte der Kunde zusätzliche Wünsche für den Termin angeben.

Auch eine „lokale Angebotsbündelung“ ist derzeit Thema. Der Vorschlag ist, dass lokale Händler ein gemeinschaftliches CRM-System als Basis für ihre Kundenansprache nutzen. Wäre dies – abgesehen von ggf. datenschutzrechtlich zu klärenden Fragen, technologisch umsetzbar?

Ein solches System wäre der Idealzustand. Hier könnten zudem Cross-Selling-Aspekte berücksichtigt werden. Mehrfache Adresserfassungen entfallen. Der Komfort erhöht sich dadurch. Dennoch: Technologisch gesehen bohrt man hier ein dickes Brett. Die unterschiedlichsten Händler und die dazugehörigen IT-Dienstleister müssten an einem Strang ziehen. Hinzu kommt, dass untereinander geklärt werden muss, wem die Adressen „gehören“ und wer sie wie lange „nutzen“ darf.

Alternativ wäre ein zusätzliches CRM-System in der Cloud für die Community eine Lösung, welches Anbindungen an das hauseigene CRM-System des jeweiligen Händlers beinhaltet. Die Ausschreibung für die gewünschten Artikel fände dann direkt in der Lösung statt. Komplex wird hier die Automatisierung. Wie kann ich aus meinem eigenen System Angebote generieren? Der erste Schritt wäre also unweigerlich die manuelle Bearbeitung. In jedem Fall steht dahinter aber ein echter Mehrwert für den Verbraucher.  

Haben Sie aus den „Retail Hacks“ To-Dos mitgenommen?

Unbedingt! Eine solche Veranstaltung öffnet wieder die Augen für das Wesentliche. Wenn wir vor der Krise einen Geschäftsprozesswandel im doch recht konservativen Retail im 10-Jahres-Zyklus sahen, viertelt sich nun die Zeitspanne. Es wird in Zukunft mehr Trial-and-Error-Lösungen geben und geben müssen, da ein “weiter so” unweigerlich zum siechenden Untergang führt. Also gerade die Low-Hanging-Fruits sind für uns hochspannend! 

Werden Sie die Umsetzung der aus dem Retail Hack gewonnenen Ideen weiterverfolgen?

Wir sehen im Retail Hack eine tolle Möglichkeit, zusätzlich zu unseren eigenen Marktanalysen eine weitere Perspektive auf die neuen Marktbedürfnisse zu erhalten. Aus der Not geboren, findet hier ein enger – in dieser Art völlig neuer – Gedankenaustausch von Händlern, Herstellern, Beratern und IT-Dienstleistern statt. Für uns – und damit hoffentlich auch für unsere Kunden – ein echter Mehrwert!

Liste der Ideen/Hacks:

  • Kund*innen stellen online Produktanfrage, lokale Händler antworten
  • „Sonntagsöffnung“ des lokalen Handels durch digitale Beratung
  • Innerstädtischer Logistikdienst
  • Terminbuchung für Kund*innen im stat. Handel
  • Händler als Marktplatz mit Showroom-Charakter
  • Nationale Werbekampagne
  • „Bundesweiter“ Digitaler Shopping Contest
  • Business Hackathon zur Qualifizierung in Verbundgruppen
  • Digital wird normal: Der Easy-Go-To-Werkzeugkasten in die digitale Handelswelt​
  • Social-Media- und Digital-Coaches
  • Influencer-Charity-Event für lokalen Handel
  • Livestream-Shoppen
  • mehrwertsteuerfreies Shoppen
  • „Charityabwrackprämie“
  • Prozess zur Belebung von Handelsstandorten
  • Kostenfreies Parken und ÖPNV
  • Sichere Stellplätze für Fahrräder
  • Erlebnisräume schaffen
  • Stadtpläne mit AR
  • Alternative Flächennutzung von Handelsfläche
  • Frequenzverteilung in Innenstädten
  • Gemeinschaftliches CRM-System als Basis für Kundenansprache
  • Händlerzusammenschluss für Aktionen und gemeinsame Datennutzung
  • Conversionbasierte Konzepte am stationären PoS
  • Aufrichtigkeitsfokus in der Kundenkommunikation
  • Hygienemaßnahmen als Service
  • „Corona-Siegel“ zum Vertrauensaufbau
  • Ermächtigung des Personals

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