E-CommerceHandel

Marktplätze: Social Commerce „womöglich größte Bedrohung für Amazon“

Mehr als die Hälfte des deutschen E-Commerce-Umsatzes wird über Marktplätze erwirtschaftet. Dennoch gibt es laut dem Beratungsunternehmen ecom consulting im deutschsprachigen Raum keine umfassenden und strukturierten Übersichten zu diesen Plattformen. Eine zusammen mit der Technologiefirma gominga eServices erstellte Studie soll deshalb nun für eine bessere Orientierung sorgen, indem sie die Marktplatzwelt als Ganzes erfasst.

Sie identifiziert über 480 Online-Marktplätze weltweit, wobei lokale Ableger von international agierenden Vertretern nicht einzeln berücksichtigt sind. Amazon.de und seine ähnlich gelagerten 17 weiteren Ländervarianten wurden beispielsweise nur einmal gezählt. Aufgrund seiner anders gelagerten Ausrichtung ist Amazon Business dagegen als weiterer Marktplatz notiert.

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Von den Marktplätzen sind insgesamt 37 Prozent, das heißt mehr als 170, auch in Deutschland, Österreich und/oder der Schweiz aktiv. Damit hat sich ihre Zahl seit 2015 mehr als verdoppelt. Bisher konzentrieren sich die meisten Marktplätze global deutlich auf den B2C-Bereich, mehr als 80 Prozent sind entweder komplett oder teilweise dort aktiv. Ca. 30 Prozent ermöglichen zudem den Verkauf von Konsument zu Konsument. B2B wird in der DACH-Region von 24 Prozent angeboten.


Download: Studie Marktplatzwelt


Gleichgewicht zwischen Generalisten und Spezialisten

55 Prozent der weltweiten und 44 Prozent der in Deutschland vertretenen Marktplätze zählen zu den Generalisten. Die vergleichsweise hohe globale Zahl hängt stark damit zusammen, dass in einigen Ländern viele lokale Vertreter Nischen besetzen, die ein dort fehlendes Amazon-Angebot bietet.

Bei den Spezialisten dominieren die Mode-, Sport- und Lifestyleplattformen (DACH: 19 Prozent / weltweit: 15 Prozent), gefolgt von Angeboten aus den Branchen Consumer, Electronics & Music (DACH: 9 Prozent / weltweit: 8 Prozent), Home & Living, Accessoires & Arts (DACH: 9 Prozent / weltweit: 7 Prozent) sowie DYI & Material (DACH: 7 Prozent / weltweit: 4 Prozent).

Interessenskonflikt und Konsolidierung

Insgesamt 29 Prozent der Marktplätze in der DACH-Region haben einen gewissen Interessenkonflikt, da sie zusätzlich als eigener Händler agieren. Deshalb würde ein Vorgehen gegen Amazon durch Politik und Kartellamt nach Ansicht der Studienautoren massive Auswirkungen auf die Handelslandschaft nach sich ziehen. Maßnahmen wie eine Trennung von Handels- und Marktplatzmodell müssten dann nämlich auch für ähnlich agierende Unternehmen wie beispielsweise Otto, Douglas oder Zalando gelten.

Die Studie konnte aufgrund ihres Untersuchungszeitrahmens (September 2019 bis Januar 2020) die Auswirkungen der Corona-Krise noch nicht berücksichtigen, geht aber bereits ohne diese davon aus, dass die Konsolidierung im Marktplatzsegment in den nächsten Jahren noch bevorsteht. Ob es zuvor zu einem weiteren Wachstum kommt, wie die Studie vermutet, ist allerdings unklar.

In der aktuellen Situation dürften sich Finanzinvestoren weniger risikofreudig zeigen und klassische B2C-Händler den Schritt zum eigenen Marktplatz sehr genau überdenken. Auch bei etablierten Angeboten könnten die Profiterwartungen nun Priorität gegenüber den Wachstumszielen gewinnen – und so das vorausgesagte Schrumpfen der Anbieterzahl beschleunigen.

(Zu) wenig Kundeneinbindung

Überraschend ist, wie wenig die Plattformen noch auf User Generated Content setzen. Selbst eine Bewertungsfunktion haben nur 39 Prozent der Anbieter aus dem deutschsprachigen Raum bisher integriert. Dabei spiele sich auf den Marktplätzen eigentlich derzeit eine neue Revolution ab: „Werbung, Content, Social und Commerce verschmelzen, wenn Konsumenten als Influencer und Microinfluencer im B2C und auch B2B miteinander interagieren, eigenen Content erzeugen oder Empfehlungen und Bewertungen abgeben.“

Gerade im chinesischen Raum seien Netzwerke mit Social Commerce-Funktionen die am schnellsten wachsende Marktplatzkategorie. Dies verwundert kaum, da sich dort zielgruppenspezifisch eine sehr große Zahl an Konsumenten mit relativ kleinem Geld erreichen lässt. Die Studie kommt deshalb sogar zu dem Fazit, dass Social Commerce „womöglich die größte oder gar einzige Bedrohung für Amazon in der westlichen Commerce-Welt“ darstellt – weißt aber ebenfalls daraufhin, dass Amazon mit der Videostreamingplattform Twitch in dieser Hinsicht noch einen Trumpf in der Hinterhand haben könnte.

Frank Keilacker

Frank Keilacker ist seit 2007 als freier Journalist mit Schwerpunkt auf den Games-Bereich, den Mobile-Markt und den digitalen Wandel tätig. Er schreibt unter anderem für verschiedene Kundenmagazine sowie -blogs bekannter Handelsunternehmen und unterstützt mit seinem Fachwissen regelmäßig die Redaktion der GfM Nachrichten und des POS connect Newsletters.

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