Konsum 4.0: Diese drei Treiber verändern die Customer Journey
Die Digitalisierung ist weit mehr als ein Megatrend und beeinflusst neben unternehmensinternen Prozessen auch das Konsumverhalten der Käufer. So ist der gesamte Kaufentscheidungsprozess, in dem der Interessent mehrere Phasen durchläuft, im Wandel.
Personalisierte und individuell angepasste Marketingmaßnahmen schaffen bei Verbrauchern völlig neue Bedürfnisse – die Phase, die hier beeinflusst wird, nennt sich Problemerkennung. Die zweite Phase im Einkaufsprozess, die Informationssuche, nimmt vergleichsweise wenig Zeit in Anspruch und erfolgt meist über digitale Quellen. Bei der anschließenden Bewertung von Alternativen vertraut der Konsument häufig auf online verfügbare Bewertungen oder Algorithmen. Auch die Kaufentscheidung sowie die Bezahlung sind zunehmend digital – durch PayPal, Apple Pay oder Google Pay auch im stationären Geschäft.
Selbst einige Produkte gibt es heutzutage rein digital, etwa in Form von E-Books, Lizenzen zum Hören von Musik oder Streamen von Filmen und Videos. Immer mehr Verbraucher nutzen die neuen, modernen Möglichkeiten, weshalb Konsum 4.0 nicht mehr nur einen Trend, sondern ein wesentliches Element des gesellschaftlichen und privaten Lebens sowie der Wirtschaft repräsentiert.
Grundsätzlich gibt es drei ausschlaggebende Entwicklungsstränge:
1. Immer mehr Gütergruppen sind von der Digitalisierung betroffen
Die Geschwindigkeit und Intensität der Entwicklung des Konsum 4.0 ist abhängig von der jeweiligen Warengruppe. Während der Konsumprozess von Musik oder Filmen bereits hochgradig digitalisiert ist, werden andere Produkte, wie Lebensmittel, nach wie vor meist im klassischen Supermarkt erworben. So durchlaufen Verbraucher in verschiedenen Sektoren eine unterschiedliche Customer Journey.
Auch der Digitalisierungsgrad in stationären Filialen unterscheidet sich in einzelnen Branchen stark. Während bei einigen lediglich der Bezahlprozess digitalisiert ist, setzen andere bereits auf digitale Schaufenster, Beschilderung oder sogar auf Roboter, die den Mitarbeiter unterstützen sollen. Wie unterschiedlich schnell und intensiv sich die verschiedenen Konsumgütergruppen digitalisieren, verdeutlicht ein Blick auf den E-Commerce: Die Forscher von ibi research an der Universität Regensburg prognostizieren, dass der Anteil der Online-Umsätze des Einzelhandels bis zum Jahr 2026 auf 19 Prozent steigt. Über die folgenden fünf Jahre würde das einen Anstieg von rund 50 Prozent bedeuten. Ohne die Betrachtung der Lebensmittelbranche ist jedoch schon heute ein Online-Anteil am Umsatz des Einzelhandels von rund 17,5 Prozent zu verzeichnen. So zeigt sich, dass sich der Online-Verkauf von Lebensmitteln trotz angebotenem Lieferservice oder Pick-up noch nicht durchgesetzt hat. Dementgegen war das Bekleidungssegment im Jahr 2020 die umsatzstärkste Warengruppe im Online-Handel, gefolgt von Consumer Electronics.
2. Immer mehr Phasen der Customer Journey sind im Wandel
Die Bezahlung ist schon lange digitalisiert: Bargeld wurde von der Bankkarte und diese schließlich von Online-Zahlungsmethoden abgelöst. Jetzt werden immer mehr Phasen des Einkaufsprozesses modernisiert. So wird nahezu die gesamte Customer Journey ins Internet verlagert, wenn in Online-Shops, auf Herstellerseiten oder Foren ausreichend Produktinformationen vorhanden sind.
Kundenbewertungen sowie Vergleichsportale erleichtern und beschleunigen die Bewertung von Alternativen. Dass die Digitalisierung den klassischen Einkaufsprozess durchdringt und grundlegend verändert, zeigt die aktuelle Beliebtheit von Online-Shopping: Eine Bitkom-Studie zu den Trends im E-Commerce bestätigt, dass 83 Prozent der deutschen Bevölkerung online einkaufen – sicherlich teilweise als Reaktion auf die Ladenschließungen während der Corona-Pandemie. Aber auch vor der Krise, 2019, haben laut dem Informationsdienst des Instituts für deutsche Wirtschaft 79 Prozent der Deutschen mindestens einmal im Internet geshoppt.
Auch der Einkauf am Point of Sale wird digitaler. Viele Verbraucher informieren sich im stationären Geschäft per Smartphone über die Preise anderer Anbieter oder Produktalternativen. Andere recherchieren erst online und gehen anschließend in die Filiale – Stichwort Webrooming. Online-Shops haben in Bezug auf die Phase der Informationssuche stark an Bedeutung gewonnen, weshalb eine gut durchdachte Omnichannel-Strategie für Händler ausschlaggebend für deren Erfolg ist.
3. Die Intensität der Veränderungen nimmt zu
Jetzt, da – abhängig von der jeweiligen Warengruppe – nahezu alle Phasen der Customer Journey von der Digitalisierung betroffen sind, werden die Veränderungen intensiver und sichtbarer. Klassische Werbung wird durch Big Data unterstützte personalisierte Marketingmaßnahmen teilweise ersetzt, wodurch neue Kundenwünsche geweckt und individuell aktiviert werden. Mobile Commerce ermöglicht das Abschließen einer Transaktion über das Smartphone – der Käufer erwirbt durch die Vernetzung Produkte ungebunden von Raum und Zeit. Die vermehrte Nutzung digitaler Bezahlsysteme, wie PayPal, macht den Online-Handel sicherer und nahtloser: Der Kunde kann den Kauf direkt abschließen, ganz ohne die Bank- oder Kreditkarte in die Hand zu nehmen und Daten an den Händler zu übermitteln.
Instant Shopping ist ein weiterer Trend, der den Kaufvorgang deutlich beschleunigt. Zwischen der eigentlichen Problemerkennung und der Bestellung eines Produktes liegt zum Teil nur noch ein Zwischenschritt, beispielweise bei der Bestellung über Dash Buttons. Amazon bietet die 1-Klick-Kauf-Option, durch die ein Produkt mit den hinterlegten Kundendaten innerhalb einer Sekunde geordert und zeitgleich der Zahlungs- und Lieferprozess ausgelöst wird. Auch Klarna hat einen Expresskauf-Button vorgestellt, durch den Kunden per Knopfdruck auf Rechnung kaufen können. Diese Möglichkeiten verkürzen einerseits das Einkaufserlebnis und machen das Shoppen für den Kunden noch schneller und komfortabler. Andererseits reduzieren sie die Gefahr für den Händler, den Käufer kurz vor dem Kaufabschluss zu verlieren.
Noch höher ist der Digitalisierungsgrad, wenn Bestellungen vollautomatisch geschehen – ganz ohne Knopfdruck. Über Smart Products oder Voice Commerce entfällt jeglicher Zwischenschritt und der Kunde erhält die Ware, ohne sich zuvor in einer Phase der Customer Journey befunden zu haben. So bestellen smarte Drucker einen neuen Toner, bevor der alte aufgebraucht ist und intelligente Kühlschränke sorgen dafür, dass immer Milch bereitsteht.
In Zukunft ist mit einer steigenden Anzahl an Smart Products und Services zu rechnen, die den Verbraucher unbemerkt bei der Realisierung seiner Kaufpläne unterstützen, noch bevor sich diese überhaupt entwickeln.